Grünzone: Wie der Garten ins Wohnzimmer kam

Pflanzen im Topf sind schon lange Begleiter des Menschen. Sie waren schon in der Antike bei Ägyptern und Griechen beliebt. Der Weg, den das Grün vom Garten in den Topf und dann in unsere Wohnzimmer hinter sich gebracht hat, hat die Kunsthistorikerin Dr. Stephanie Hauschild erforscht.

„Die Topfpflanzen, die im Mittelalter ins Haus geholt wurden, waren zumeist einheimische Gewächse wie Iris, Lilien, Maiglöckchen, Veilchen oder Rosen. Nur für die Zeit ihrer Blüte wurden sie in die Räume gestellt. Ihr Duft sollte die Gerüche, die bei den damals schwierigen Wohnbedingungen herrschen, überdecken“, erklärt die Wissenschaftlerin.

Bereits im 16. Jahrhundert bereicherten dann auch neue exotische Gewächse aus der Türkei und dem Mittleren Asien die Gärten von Pflanzenliebhabern. Da viele der neuen Gewächse nicht winterhart waren und in der kalten Jahreszeit einen besonderen Schutz benötigten, wurden sie vorwiegend in Töpfen gepflegt. Das Sammeln von repräsentativen Gewächsen war damals vor allem eine Liebhaberei für Männer aus dem Adel und wohlhabenden Bürgern. Pflanzen auf der Fensterbank der Wohnung bleiben bis zum 18. Jahrhundert die Ausnahme. In dieser Zeit entstanden Orangerien als neuer Gebäudetyp. Alpenveilchen, Hyazinthen, Agaven, Kakteen und vor allem Zitrusfrüchte wurden darin wintersicher untergebracht.

Der fortschreitende Kolonialismus in Afrika und die Forschungsreisen in den Pazifik brachten im 18. Jahrhundert viele neue Pflanzen nach Europa. Da sich die Wohnbedingungen mittlerweile deutlich verbessert hatten – es gab mehr Platz und Licht durch größere verglaste Fenster, bessere Wasserversorgung und auch erste Heizungen – wurden im späten 18. Jahrhundert die ersten Exoten auch in den Wohnräumen der Europäer heimisch. Auch Johann Wolfgang von Goethe war ein begeisterter Botaniker. Sein besonderer Liebling war die aus Südafrika stammende Grünlilie.

Im 19. Jahrhundert entstand der Beruf des kommerziell tätigen Pflanzensammlers und -jägers. Diese Männer waren entweder auf eigene Rechnung unterwegs oder arbeiteten für reiche Sammler und Gärtnereien. Ihnen verdanken wir Amaryllis, Azaleen, Weihnachtsstern, tropische Orchideen und Kamelien.

Wurden die empfindlichen exotischen Gewächse im 18. Jahrhundert noch unter abenteuerlichen Bedingungen nach Europa gebracht, änderte sich dies in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die Erfindung der so genannten Wardschen Kiste. Zufällig entdeckte der englische Arzt Dr. Nathaniel Ward, dass in einer verschlossenen Glasflasche Pflanzen keimten und dass ein solcher Behälter ideal war, um empfindliche Pflanzen auf den monatelangen Seereisen zu transportieren.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden Topfpflanzen zum selbstverständlichen Teil der Wohnung und gehörten nun als Dekorationsobjekte zur zeitgemäßen Zimmereinrichtung einfach dazu. Wie andere Dekorationsgegenstände unterlagen jetzt auch die Zimmerpflanzen dem wechselnden Geschmacksrichtungen und Stilen. Zeitweise kamen sie aus der Mode oder wurden von anderen Wohnaccessoires verdrängt. Bis heute konnten sie sich aber immer wieder ihren angestammten Platz am Fenster zurückerobern.

(ecada/BBH)